Bürgermeister
Auszug aus der Festschrift
»100 Jahre SPD-Ortsverein in Neustadt a. d. Aisch«:
Nach achtzehnjähriger Pause, in welcher der Industriekaufmann und vormalige Dekanatssekretär Horst Erny (geb.1928) an der Spitze der Stadt stand, übernahm im Jahre 1990 mit Dr. Wolfgang Mück (geb.1939) ein weiterer Sozialdemokrat das Amt des Bürgermeisters unserer Stadt. In zwei aufsehenerregenden Wahlgängen mit Wahlanfechtung und Wiederholung setzte sich der in vielen öffentlichen Bereichen aktive Gymnasiallehrer, der zusammen mit seiner Mutter und den beiden Brüdern 1946 als Heimatvertriebener zuerst nach Schauerheim, 1952 dann nach Neustadt gekommen war, gegen den Amtsinhaber durch.
Zunüchst galt es, die hohe Verschuldung zu reduzieren und dennoch den bis in die Amtszeit von Bürgermeister Bankel zurückreichenden Investitionsstau aufzulösen und in einer konzertierten Aktion aller Kräfte zielgerichtet Stadtentwicklung zu betreiben, denn die Stadt hatte den Anschluss an die allgemeine Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland verloren und die Zeit der 90%-igen Zuschüsse regelrecht verschlafen. Drei Jahre lang wurden hohe Rückzahlungen geleistet, dann musste investiert werden.
Durch zahlreiche Strukturmaßnahmen, wie den Aufbau einer gesicherten Wasserversorgung im Sandsteinkeuper östlich von Neustadt, durch Straßen-, Kanal- und Kläranlagenbau sowie durch Erschließung neuer Wohn- und Gewerbegebiete in der Kernstadt wie in den Ortsteilen, wurde - auch durch Erlass von Flächennutzungs- und Bauleitplänen - das stetige Wachstum der gesamten Stadt gesichert. Allein das Wohnbaugebiet »Hasengründlein« hatte zum Ende der Amtsperiode mit 650 meist zugezogenen Bürgern mehr Einwohner als jeder Ortsteil.
Der fußläufigen Anbindung an Schulen und die Innenstadt diente der Bau von Fußgängerbrücken in Zusammenarbeit mit dem staatlichen Straßenbauamt: bei Kleinerlbach, am Buchberg und insbesondere die schwungvoll gestaltete Brücke zum 1991 sanierten Festplatz und dem durch den »Gärtnersberg« erweiterten Wohngebiet an den Herrenbergen.
Konsequent wurden die inzwischen stark eingeschränkten Bundes- und
Landesmittel der Städtebauförderung zur Revitalisierung der Altstadt
eingesetzt. Nach schwierigen Verhandlungen war mit dem Grund erwerb
des Bahngeländes an der Aischtalbahn und die Eröffnung der
Umgehungsstraße der erste Schritt
zu einer kompletten Umgestaltung
der nördlichen Altstadt und eines neuen Stadteingangs getan: eine
Vision nahm Gestalt an.
Geglückte Stadtsanierung: die Jean-Paul-Allee verbindet den stadtnahen Großparkplatz mit der Innenstadt
Firmenumsiedlungen in das neue Gewerbegebiet an der Weißen Marter und die Anlage altstadtnaher Parkplätze waren die notwendige Voraussetzungen zur Verkehrsberuhigung durch eine kleine Fußgängerzone rund um den Marktplatz. Brachliegende kommunale Bausubstanz wurde renoviert und einer neuen Verwendung zugeführt (z. B. Fürstenschule, Progymnasium, Ludwigstraße, Hospitalgebäude). Mit Spendengeldern entstanden Brunnen und Grünanlagen, wurde der neugestaltete Marktplatz begrünt und die Stadtmauer saniert.
Die Altstadt erstrahlte in neuem Glanz. Das war der entscheidende Impuls für private Investitionen (z. B. Alleehotel, Wohn- und Geschäftsbauten, Kohlenmühle), eine Steilvorlage für die Gastronomie und den im mittelfränkischen Vergleich erfreulich starken innerstädtischen Fachhandel mit einer hohen Kaufkraftbindung vor Ort. Diese Investitionen förderten auch den Tourismus und dienten vor allem auch der Sicherung von Arbeitsplätzen im Handwerk.
Eine interfraktionelle Arbeitsgruppe des Stadtrates erstellte die Grundlagen für die Neukonzeption und Generalsanierung des Waldbades, finanziert aus dem Erlös der Umgründung der Stadtwerke in eine GmbH und die Hereinnahme der N-Ergie als kompetenter Partner.
Großes Augenmerk galt der Jugend: so entstanden der Neubau der »Comenius-Grundschule« und des »Louise-Scheppler-Kindergartens«, letzterer in gutem Zusammenwirken mit der evangelische Kirchengemeinde, saniert wurden alle Kindergärten und die Grundschule Neues Schloss. Das Freizeitangebot für Kinder und Jugendliche wurde durch neue Spiel- und Bolzplätze und eine aus Spendengeldern finanzierte Skaterbahn verbessert. Der beengte »Jugendtreff Turm« konnte Spender in das grundlegend sanierte und weit geräumigere »Jugendzentrum Lazarett« am Nürnberger Tor ziehen; die Jugendarbeit wird von einem hauptamtlich angestellten Betreuer geleitet.
Der Pflege der Kultur als weicher Standortfaktor wurde größeres Gewicht beigemessen. Das Theater- und Musikprogramm in der Markgrafenhalle und die Schlosshofkonzerte wurden durch eine Jazz- und Klassikreihe in der Ehrenhalle des Rathauses ergänzt.
Im Rahmen der Neukonzeption Kulturareal im Alten Schloss entstanden die »Bühne im Torhaus« für Kleinkunst, die Puppen- und Spielzeugsammlung »KinderSpielWelten«, die »Handwerkerstuben« sowie die ersten Schritte für das »Aischgründer Karpfenmuseum«. Als Voraussetzung für die Umwandlung der Alten Turnhalle in einen Veranstaltungsort mittlerer Größe in der Altstadt gab es einen Architektenwettbewerb für die Konzeption einer Schulsporthalle in unmittelbarer Nähe der Grund- und Hauptschule.
Alle diese Maßnahmen waren eingebunden in ein Tourismuskonzept, das auf die unverwechselbaren Standortfaktoren ausgerichtet war: Lage im Aischgrund an der Nahtstelle zweier Naturparke, die historische Altstadt, die lebendige Einkaufsstadt und die kurzen Wege zu den fränkischen Touristenzentren. All dies wurde ergänzt durch neue Radwege, durch Haus-, Hinweis- und Wandertafeln, Prospektmaterial und Herausgabe eines Stadtführers, Internetauftritt, Einrichtung eines Bauern- und Kunstmarktes und die Erweiterung des Weihnachtsmarktes.
Aufforstungen sowie Umbau der Wälder durch Naturverjüngung – »von der Monostruktur zum Mischwald« – Hochwasserschutzmaßnahmen, ergänzt durch Regenrückhaltung, Entsiegelungen, Einsatz und Förderung alternativer Energien dienten wie die intensive Förderung von Regionalkreisläufen oder Maßnahmen der Abwasserentsorgung, die konsequente Durchführung von Flurbereinigungs- und Dorferneuerungsmaßnahmen dem Schutz wie auch der Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen bzw. ihrer Verbesserung im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung von Natur und Umwelt.
Wie kein anderer Bereich trugen Sport und Kultur zur Identitätsfindung bei: durch ideelle und materielle Förderung von Vereinen, Überlassung von Räumen und Gebäuden, die Schaffung neuer Spielstätten, insbesondere aber durch die Rückbesinnung auf tradierte Werte. Neue Impulse gaben die in den 90er Jahren begonnenen Städtepartnerschaften mit einer toskanischen, tschechischen, kroatischen und einer japanischen Stadt, getragen von lebendigen Partnerschaftsvereinen.
Wertvolle Anregungen flossen in die Stadtratsarbeit ein aus der Arbeit der Agenda-21-Gruppen und der durch EU-Mittel geförderten LAG Aischgrund, eines überörtlichen Zusammenschlusses von 18 Aischgrund-Kommunen, die von Bürgermeister Mück bis 2005 fünf Jahre lang geführt wurde.
Ein prominenter Bürger unserer Stadt, Bundesminister a.D. Dr. Werner Dollinger, hat am Ende der zwölfjährigen Amtszeit die große Leistung des Bürgermeisters Dr. Wolfgang Mück gewürdigt: »Sie haben die Struktur der Stadt und ihr Gesicht zum Positiven verändert wie keiner ihrer Vorgänger.« Mücks Handlungsmotto war der alten Stadtfahne aus dem 18. Jahrhundert entlehnt: »Nec timide – nec temere« – »Weder verzagt – noch verwegen«.